
Raphael Mammerler
Trainer und Coach für berufliche Klarheit, Künstler
Welche Fähigkeit oder Eigenschaft hast du dir zuletzt bewusst angeeignet und was war deine Motivation dahinter?
Was die persönliche Weiterentwicklung betrifft, habe ich die letzten 10 Jahre damit verbracht, mir vor allem eine Fähigkeit beizubringen, aus meiner Sicht DIE entscheidende Fähigkeit, denn sie ist die Basis all unseres Strebens. Diese nennt sich „Glücklich sein“. Folgende Überlegung war der Ausgangspunkt dafür: „Je tiefer ich grabe, und je tiefer ich meine Persönlichkeitsarbeit ansetze, desto wirkungsvoller ist sie“. Wenn ich erkenne, was es wirklich braucht, um glücklich zu sein, vermeide ich viele Irrwege, sei es das Streben nach Geld, Macht, Ruhm, etc.
Was tust du, um Klarheit, Wohlbefinden und Zukunftsfreude zu finden und wie häufig gelingt dir das?
Um Klarheit zu bekommen und zu halten, höre ich mehrmals täglich, beim Warten auf den Bus, beim Kochen, beim Duschen, beim Arbeiten in mein Inneres, meine Seele, hinein. Ich höre hinein, ob gerade alles passt und wenn nicht, was sich ändern soll, damit sie glücklich ist und sich wohl fühlt. Für dieses Wohlbefinden gibt es, wie ich entdeckt habe, zwei Elemente. Beide Elemente sind gleich wichtig. Das erste Element ist, ob der Lebensweg, den ich gehe, in die richtige Richtung läuft (das Ziel). Ob meine Handlungen, meine Arbeit, meine Worte und Taten im Hier und Jetzt zu einer positiven Zukunft beitragen. Das erzeugt Zukunftsfreude. Das zweite Element ist, dass der Weg in diese positive Zukunft schön sein darf (Der Weg). Der Weg dorthin ist dann schön, wenn ich den Weg in meinem Tempo gehe, wenn ich Zeit habe mal innezuhalten und die Blumen am Wegrand zu betrachten, wenn ich liebe Weggefährten habe, wenn ich kräftigende Nahrung habe und wenn die Füße wehtun, dass ich mich hinsetze, raste und sie versorge. Das auch der Weg, und nicht nur das Ziel, schön ist, ist essentiell, da der Weg nie zu Ende ist und ich zudem nicht weiß, wie lange ich diesen Weg gehen darf und ob ich jemals in dieser erträumten Zukunft ankomme. Diese beiden Elemente, den Weg und das Ziel, in Einklang zu bringen, gelingt mir, mit zunehmender Erfahrung, immer wieder und immer wieder und immer wieder.
Welche Skills werden aus deiner Sicht in der Zukunft wichtig sein und wie kann man sie sich aneignen?
Ich denke, dass in der Zukunft vor allem ur-menschliche Fähigkeiten wie Empathie, Reflexion, Gemeinschaftsgefühl erzeugen, Sinn erzeugen und bewahren, Umsorgen, Freude, Philosophie, Therapieren, Begleiten, Coachen, Werte leben und Kreativität gefragt sein werden. Manuelle und analytisch-kognitive Arbeit wird aus meiner Sicht größtenteils von Maschinen übernommen werden. Ur- menschliche Fähigkeiten können dabei nicht ersetzt werden. Folgendes Szenario stelle ich mir bei meinen Überlegungen vor: Sie sitzen beim Psychotherapeuten und es sitzt Ihnen ein Psychotherapie-Roboter gegenüber. Sie erzählen eine belastende Geschichte und der Roboter antwortet Ihnen (mit blecherner Stimme): „Das tut mir Leid, ich verstehe, wie Sie sich fühlen“. Sogleich spüren wir, dass an der Geschichte etwas nicht stimmt. Das Gefühl, „Mensch zu sein“, kann nicht erzeugt, kann nicht kopiert werden. Die Fähigkeit, anderen Menschen menschlich zu begegnen, wird, aus meiner Sicht, das Arbeitskapital des 21. Jahrhunderts sein. Oder wie es auch schon ausgedrückt wurde: „The soft skills of today are the hard skills of tomorrow“.