Karlheinz Valtl

Emeritus Senior Lecturer für Bildungswissenschaft der Universität Wien. Projektleiter für Achtsamkeit in Lehrer*innenbildung und Schule am Zentrum für Lehrer*innenbildung

> achtsamkeit.univie.ac.at
> wissenschaftl. Veröffentlichungen

Welche Fähigkeit oder Eigenschaft hast du dir zuletzt bewusst angeeignet und was war deine Motivation dahinter?

Ich werde dieses Jahr 70 und reduziere aktuell meine beruflichen Verpflichtungen, möchte aber auch weiterhin arbeiten, um meine Familie zu ernähren und in der Welt zu wirken.

Diese Balance befühle ich bewusst bei jedem Auftrag und frage mich tief im Herzen:
• Richtet sich das wirklich an mich, fühle ich mich dazu aufgerufen?
• Bringt es Freude und nachhaltigen Nutzen?
• Nährt es die persönliche Entwicklung aller Beteiligten, mich eingeschlossen?
• Ist der Kontakt mit den Kooperationspartnern erfreulich und wertschätzend?

Erstaunlicherweise komme ich dabei schnell zu einem Ergebnis, und der Prozess des Fragens selbst macht mir Freude und befruchtet meine Arbeit inhaltlich. Ich hoffe, ich werde noch besser darin.

Was tust du, um Klarheit, Wohlbefinden und Zukunftsfreude zu finden und wie häufig gelingt dir das?

Klarheit und Stabilität des Geistes gewinne ich durch Meditation und Achtsamkeit. Das gelingt mir recht gut. Es handelt sich dabei auch um Kernthemen meiner Arbeit als Bildungswissenschaftler, und ich bin froh, darin als Person wachsen zu dürfen.

Wohlbefinden hat für mich gewisse Tücken. Ich finde mich nicht leicht mit etwas ab, und versuche dann, mich in Akzeptanz zu üben. Und sonst mache gern einfache Dinge, die mir Freude machen – alltägliche Rituale des Seins wie das sprichwörtliche Teetrinken.

Zukunftsfreude unter den Bedingungen von Vergänglichkeit (von allem) und Krieg (mitten in Europa) ist für mich kein einfaches Thema. Wie wäre es mit Gegenwartsfreude? Die Zeit der Freude ist jetzt, und ich glaube, Richard Davidson, der Begründer der Contemplative Neuroscience, beschreibt mit seinen Four pillars of a healthy mind ganz gut, was es dazu braucht, nämlich Gewahrsein, Verbundenheit, Einsicht und Sinnorientierung. Diese versuche ich bei mir zu nähren, und sie sind auch gut fürs Well-being.

Welche Skills werden aus deiner Sicht in der Zukunft wichtig sein und wie kann man sie sich aneignen?

Spontan kommen mir dazu die „Top 10 skills of 2025“ des Weltwirtschaftsforums. Analytical thinking and innovation steht da ganz oben. Aber was mir unter ihnen fehlt, ist Selbsterkenntnis. Sich selbst zu kennen und auf die eigene innere Stimme zu hören, ist entscheidend fürs Navigieren in Ungewissheit, Komplexität und Ambivalenz. Für Noah Harari ist sie die entscheidende Kompetenz des 21. Jahrhunderts. Wir erwerben sie durch Meditation (immer wieder ganz bei sich sein), Achtsamkeit (im Alltag offen und vorurteilslos präsent sein) und Verbundenheit (in wohlwollender Einfühlung). Das Wichtigste ist die alltägliche Übung, Augenblick für Augenblick, auch im Beruf. Mir gelingt das nicht immer, aber auch das ist normal auf dem Weg des Übens.

Bonus: Antwort auf eine Frage, die du nicht gestellt hast.

Karlheinz: Lieber Matthieu, ich fand deine 3 Fragen sehr inspirierend und habe gerne über sie nachgedacht. Nur dein Slogan „Mind off“ lässt mich zweifeln. Mind (im klassischen Sinne) beinhaltet die ganze Psyche, also auch Emotionalität und Haltung, und diese würde ich ungern auf Off stellen. Mir ist schon klar, dass du damit eher einseitigen Intellektualismus oder das ständige innere Geplapper meinst, und wenn du stattdessen körperliches Spüren, lebhaftes Fühlen, ethisches Entscheiden und kontemplative Stille in den Vordergrund rücken möchtest, so bin ich da ganz bei dir. Nur: Das gehört auch alles zum mind. Mind off! stellt daher den mind in ein zu schlechtes Licht.

Matthieu: Danke, lieber Karlheinz, für deinen anregenden Input und die Gelegenheit „Mind Off. Spot On“ auf den Punkt zu bringen. „Mind Off“ bedeutet bei Myndspot, während dem Training, die Gedanken an den Alltag, zukünftige Pläne und vergangene Ereignisse bewusst nicht durch aktives Grübeln zu verstärken – sie dürfen losgelassen werden. „Spot On“ bedeutet beim Myndspot, die Aufmerksamkeit im Training ganz bewusst auf etwas zu lenken – das sind mal die Gedanken, mal ist es der Atem und ein andermal die innere Haltung. „Mind“ soll damit keinesfalls abgestellt oder vermieden, sondern immer besser kennengelernt und klarer verstanden werden – was den Weg zu mehr Power und Zufriedenheit ebnen kann.

3 Fragen an …